Am Strom der Erinnerungen
Wir sitzen am Ufer des St. Lorenzstroms, Montreal liegt hinter uns, und wir versuchen, die letzten vier Wochen Kanada noch einmal Revue passieren zu lassen. Begonnen hat alles am Atlantik – in Nova Scotia, wo die Küstenlinie endlos schien und die bunten Holzhäuser von Lunenburg uns wie aus einem Gemälde entgegengrüßten. Peggy’s Cove, die windgegerbten Felsen, der Geruch von Salz und Tang – hier begann unser Abenteuer. Dann folgte die Runde über Cape Breton Island, wo sich der Herbst von seiner prächtigsten Seite zeigte: rote, gelbe und orangefarbene Wälder, als hätte jemand Farbe über die Hügel gegossen.
Über New Brunswick fuhren wir weiter westwärts, durch weite Wälder, entlang des Sankt-Lorenz-Arms und auf der „108“ durch Landschaften, die uns den Atem raubten. Der Indian Summer war überall – warmes Licht, klare Luft, und das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
In Québec setzten sich die Eindrücke fort: die gewaltigen Wasserfälle von Sainte-Anne und Montmorency, die Hängebrücken, das Donnern des Wassers, das einem Demut beibringt. In Saguenay dann die Stille des Fjords und die weißen Belugas, die wie leuchtende Schatten durchs Wasser glitten. Auf der Île aux Coudres radelten wir zwischen Apfelgärten und Wind, Fähre und Fluss, und verstanden, warum die Kanadier ihr Land so lieben.
Der Parc Jacques-Cartier forderte uns schließlich heraus – steile Anstiege, müde Beine, aber Ausblicke, die man nicht vergisst. Und am Lac Taureau wurde es ganz still: Die Saison war vorbei, Wege gesperrt, Restaurants geschlossen, aber genau das machte den Zauber dieses Ortes aus. Abends saßen wir am Wasser, sahen Polarlichter tanzen und wussten, dass dieser Moment bleibt.
Und nun, hier am St. Lorenzstrom, spüren wir den Übergang: zurück in die Stadt, in den Lärm, in den Alltag. Kanada war wieder alles zugleich – wild und sanft, laut und still, rau und herzlich. Kein Urlaub zum Abschalten, sondern einer zum Aufatmen. Und während über dem Wasser die Sonne noch mal alles gibt, es sollen heute am 5. Oktober nochmal 30 C werden, wissen wir:
Wir kommen wieder – vielleicht nicht bald, aber ganz sicher mit Sehnsucht im Gepäck.