Truro – wenn der Fluss plötzlich rückwärts fließt
Die Autofahrt vom Brenton Nationalpark zurück in die Halifax Region verlief dank gut ausgebauten Straßen seht entspannt. Unser Ziel für die nächsten 2 Tage ist Truro. Obwohl wir schon 1600 km gefahren sind und so richtig vorangekommen sind wir noch nicht.
Glaubt man den Reiseführern, wartet in Truro ein weiteres einzigartiges Naturerlebnis. Und tatsächlich: Hier, am Salmon River, kann man Zeuge eines echten Weltwunders werden – dem Tidal Bore.
Wir standen am Ufer, zuerst noch etwas skeptisch. Der Fluss plätscherte harmlos dahin, ein paar Enten dümpelten auf dem Wasser. Doch dann passierte das, wovon alle schreiben: In der Ferne tauchte eine Welle auf, wie aus dem Nichts. Sie rollte gegen die Strömung an, schob das Wasser zurück – und plötzlich floss der ganze Fluss in die „falsche“ Richtung.
Das Spektakel dauert nur wenige Minuten, aber es ist gewaltig. Man hört ein dumpfes Rauschen, das Ufer wird rasch überschwemmt, und die Enten blicken etwas verdutzt, bevor sie sich von der Welle mitnehmen lassen. Es ist eines jener Naturereignisse, die man nur schwer beschreiben kann – man muss es erlebt haben.
Der Grund dafür liegt in der Bay of Fundy, die mit ihrem Tidenhub von bis zu 16 Metern die höchsten Gezeiten der Welt hat. Zweimal am Tag drückt das Meer das Wasser hier flussaufwärts, und wer Glück hat, sieht eine richtige kleine „Gezeitenwelle“, die den Fluss umkehrt.
Nach wir das mit der Flutwelle gesehen hatten, wollten wir endlich dem Phänomen der Laubfärbung näher kommen. Im Victoriapark in Truro fanden wir seltsam gefärbte Ahornblätter, die eindeutig aus diesem Jahr stammen.
Sie sind Ergebnisse von Versuchen, die Laubfärbung zu beeinflussen. Die Methode stammt aus China, wo ein kanadisches Dorf für touristische Zwecke nachgebaut wurde. In Kanada versucht man die für die Tourismusindustrie sehr wichtige Saison des Indian Summer auszudehnen um schon im Juni und Juli, der Hauptferienzeit, mit rotverfärbte Wäldern zu glänzen. Die Lösung steckt in der Chemie. Ein Parkmitarbeiter hat uns das alles erklärt. Bevor die Blatttriebe zu sprießen beginnen, kann man ab 1. April versuchen den für die Rotfärbung verantwortlichen Farbstoff, der sich normalerweise erst im Herbst bildet, durch einen chemischen Ersatzstoff zu ersetzen. Zum Einsatzkommt vernebeltes Eosin.
Mit sogenannten Siemenstöpfen (korrekt Ionisationssprühnebler) werden ab ersten April jeden Jahres gewaltige Mengen des Farbstoffs Eosin elektrostatisch in Parks mit Ahornbäumen vernebelt.
Die Farbstoffmoleküle sind dem natürlich im Ahornblatt vorkommenden Farbpigmenten chemisch sehr ähnlich und verdrängen diesen im Wachstumsprozess. Im Ergebniss kann man schon ab Ende Mai bis zum normalen Farbwechsel im Hebst mit rotverfärbten Blättern glänzen. Das Verfahren ist nicht unumstritten, verbraucht es doch gigantische Mengen an Elektroenergie, weswegen es auch nur im kommunalen Parks größerer Städte zum Einsatz kommen kann. Für die riesigen Waldflächen im Hinterland soll es andere Methoden geben. Auch überzeugt dieses Färbeverfahren nicht vollständig. Fehldosierungen führen schnell zu unnatürlich wirkenden tiefroten, braunen oder bunten Blättern.
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