Sonntag, 28. September 2025

Von Schluchten zu Stufen: Sainte-Anne trifft Montmorency

Zwischen Hängebrücken und Treppenkunst – Québecs Wasserfälle

 Unsere nächste Etappe von Baie-Saint-Paul nach Québec war mal eine der kürzeren: knapp 100 km. Aber wir wollten nicht einfach durchfahren – auf dem Weg lagen Wasserfälle, Schluchten und ein Park, der uns mehr überraschte, als wir je gedacht hätten.

Unser erster Stopp war der Canyon Sainte-Anne  an der Route 138. Was auf den ersten Blick wirkte wie ein Freizeitpark mit Eintritt und Zipline, entpuppte sich als spektakulöser Naturort mit tiefer Schlucht, hohen Wasserfällen, vielen Treppen und schwebenden Hängebrücken. 

Der Hauptwasserfall stürzt 74 Meter in die Tiefe – höher als oft gedacht und durchaus imposant. Es gibt drei Hängebrücken, darunter eine die 60 m über der Schlucht hängt.Wir zahlten den Eintritt – 14,50 CAD – und betraten das Gelände mit mehr Neugier als Erwartung. 



Der Weg durch den Canyon ist charmant angelegt: viele Treppenstufen führen hinab, hinauf, entlang der Schlucht, zu Aussichtsplattformen, über Brücken und durch den Wald. Manchmal blickt man direkt an die tosenden Wassermassen herab, an anderen Stellen hört man sie nur als tiefes Grollen unter sich.





Wir verließen den Canyon Sainte-Anne mit noch nassem Gänsehautgefühl von Brücken und Schluchten und fuhren weiter Richtung Québec. Der Plan: nicht nur vorbeischauen, sondern ganz nach oben klettern – zu Montmorency Falls, dem Wasserfall, der sich vor Kraft kaum halten kann.

Schon von weitem sieht man den Sprühnebel, der in der Luft hängt, und hört das Donnern, bevor man den Boden spürt. Der Montmorency Falls Park liegt nur rund 12 km von der Altstadt Québecs entfernt. Der Wasserfall stürzt auf etwa 83 Meter – damit ist er rund 30 Meter höher als Niagara Falls.

Im Park gibt es mehrere Wege nach oben und mehrere Perspektiven: Man kann mit der Seilbahn hochfahren, mit dem Auto näher gelangen oder … sich sportlich beweisen und die 487 Stufen der Panoramatreppe erklimmen, die sich entlang der Felswand nach oben ziehen. Wir entschieden uns natürlich für das Hochlaufen.

Wir starteten am Fuß, mit Blick auf die tobende Gischt, deren Sprühnebel uns schon beim ersten Schritt einwehte. Die ersten Stufen waren noch freundlich – breite Holzstufen, Geländer, Atmen klar und frisch. Doch bald wurde es steiler: der Weg schwenkte zur Felswand, der Treppenabschnitt wurde schmaler, die Stufen höher, der Blick tiefer.

Man hört unter sich das Wasser, sieht es hinabstürzen, tropfende Felsen, grünen Bewuchs, Dunkelmoos. Der Nebel erreicht uns, manchmal ein Tropfen im Gesicht. Der Puls steigt, die Beine wollen nicht mehr Treppen steigen. Pause auf der Brücke zum gegenüberliegenden Ufer, ein Blick über Strom, Felsen und Wipfel.

Oben angekommen ist der Ausblick eine Belohnung: man steht über der Falte der Erde, sieht Québec City in der Ferne, den St. Lorenz-Strom ausgebreitet, die Inseln und Brücken. Der Wasserfall darunter fällt in gewaltiger Wucht und spielt mit Licht und Schatten, mit Regenbögen und Gischt. Und ab und zu fliegt ein mutiger Zipliner am tosenden Wasserfall vorbei. 



Wir gönnten uns Zeit, nah an die Kante, fühlten die Kraft, fotografierten, staunten – und dachten daran, wie anders die Blicke beim Canyon Sainte-Anne waren, mit seinen schmalen Schluchten und schwebenden Hängebrücken. Hier war es größer, wuchtiger, majestätischer – aber beide Orte verband derselbe Zauber: Natur, Höhenmeter, Gefahr und Schönheit.

Der Rückweg war eine Mischung aus Genuss und Erschöpfung – Treppen hinab, kleine Umwege, nochmal Stops für Perspektivwechsel. Aber immer mit dem Gefühl: das war keiner der Wasserfälle, den man „einfach so mitnimmt“.

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